Im zweiten Anlauf hat Esther Keller die Wiederwahl in den Basler Regierungsrat geschafft. Der Weg zu diesem Ziel war für die 40-jährige GLP-Politikerin aber ein langer – und kein einfacher. Ich durfte Esther Keller im Wahlkampf im Rahmen meiner MAZ-Diplomarbeit hautnah begleiten und habe so einen nicht alltäglichen Einblick in das Leben einer Regierungsrätin erhalten.
Drei Sitze für die Linke, drei Sitze für die Bürgerlichen und einen für die GLP: So ist der Basler Regierungsrat vor den Gesamt-Erneuerungswahlen im Herbst 2024 aufgestellt. Diese Zauberformel wollen das linke wie auch das rechte Lager aufbrechen. Und so steht Esther Keller beim Wahlkampfauftakt von der GLP Ende August alleine zwischen diesen Blöcken. Nicht nur deswegen wackelt ihr Sitz in der Exekutive: Keller kann als einzige Kandidatin im Wahlkampf nicht auf die Unterstützung von einer anderen Partei zählen.
7 Wochen bis zur Wahl: Abschalten in der WG
Sonntagabend in einem Haus in der Nähe des Kannenfeldplatzes. Zusammen mit ihren beiden Mitbewohnerinnen und ihrem Freund geniesst Esther Keller beim gemeinsamen Nachtessen die Ruhe vor dem Sturm. Die Basler Regierungs- und Grossratswahlen von Ende Oktober sind aber nicht nur zeitlich gesehen noch weit weg. «Ich bin enorm froh, dass wir zuhause nicht über die Politik reden. Sondern über alles andere. Zum Beispiel, was man am Wochenende erlebt hat. Das tut gut», sagt Keller.
Seit mehreren Jahren lebt sie mit guten Freunden in einer Wohngemeinschaft. Eine andere Art des Wohnens kann sich Keller nicht vorstellen. Daran ändert auch ihre Arbeit als Regierungsrätin nichts – obwohl sie unter der Woche nicht so oft zuhause sei. «Meistens gehe ich um acht Uhr aus dem Haus und kehre abends um zehn Uhr zurück», erzählt Keller. Das WG-Leben könne sie trotzdem geniessen. «Vor allem am Wochenende. Dann gibt es meistens unpolitische Kontrastgespräche, dabei kann ich gut abschalten.»

Entsprechend heilig seien ihr die Sonntagabende. Aber unter der Woche muss auch eine Regierungsrätin in den eigenen vier Wänden mit anpacken – sofern es die Zeit zulässt. «Man spürt, dass ihr das Zuhause extrem wichtig ist und es ihr extrem viel gibt. Deshalb versucht Esther, in der wenigen Zeit, die sie noch hat, etwas zurückzugeben», sagt Corinne Bäckert, die Esther Keller seit der Kindheit kennt.
Obwohl Esther Keller eher selten Zuhause anzutreffen ist, hofft Bäckert, dass ihre bekannte Mitbewohnerin wieder in den Regierungsrat gewählt wird. Warum, erzählt Sie im Video:
Noch 6 Wochen: Überzeugender Auftritt im Rampenlicht
Beim gemeinsamen Podiumsgespräch von Telebasel und dem SRF Regionaljournal Basel/Baselland müssen sich alle Regierungsratskandidatinnen und -kandidaten bewähren. Was andere schnell einmal ins Schwitzen bringt, meistert Esther Keller mit Bravour. Als ehemalige Journalistin und Kommunikationsberaterin sei sie sich Auftritte im Rampenlicht gewohnt. «Ich habe mir noch einmal überlegt, welche Schlüsselpunkte mir wichtig sind. Zum Beispiel alles rund um den Klimaschutz und dem Thema Begrünung», sagt Keller wenige Minuten vor dem Auftritt und verrät: «Dabei habe ich mir auch ein paar Spitzen überlegt gegen die Konkurrenz. Das macht man dann schon.»

Wer wissen will, wie sich Esther Keller und die restlichen zehn Regierungsratskandidatinnen und -kandidaten dieser Herausforderung gestellt haben, der kann die ganze Sendung hier nachschauen.
Esther Keller scheint mit ihrem Auftritt die Experten überzeugt zu haben. «Esther Keller war heute vielleicht am angriffigsten von allen. Sie will ihren Sitz absolut verteidigen, und das hat sie ziemlich überzeugend gemacht», sagt Anja Sciarra, Politredaktorin der Basler Zeitung. Patrick Künzle, Redaktionsleiter des SRF Regionaljournal Basel/Baselland, glaubt derweil, dass Esther Kellers Position gar nicht einmal so schlecht aussieht, wie viele denken: «Sie schafft die Wiederwahl, weil die Leute nicht im Bündnis denken. Sie schauen stattdessen, wer ihnen sympathisch ist oder wer überzeugend auftritt. Deshalb denke ich, dass Esther Keller ein ganz solides Resultat erzielt.»
Noch 4 Wochen: Führungsstil kommt an
Vor vier Jahren gelang Esther Keller eher überraschend der Sprung in die Exekutive. Im zweiten Wahlgang wählte das Volk sie zur damals jüngsten Basler Regierungsrätin. Seither steht Keller dem undankbaren Bau- und Verkehrsdepartement vor, was bisweilen kein leichtes Unterfangen ist. Ob Stadtklimakonzept, Veloverleih, Stadtbegrünung oder Parkkarte: Mit ihren Ideen eckt die GLP-Politikerin an. «Es geht nicht darum, meine eigenen Vorstellungen zu realisieren. Ich wurde mit einem gewissen Anspruch gewählt», sagt Keller. Sie habe von Anfang an gesagt, für was sie stehe. «Ich möchte die Stadt stärker begrünen, die aktive Mobilität fördern. Die Leute haben mich gewählt, und dieser Auftrag ist mir schon sehr bewusst.»
Damit der Departementsbetrieb auf dem Münsterplatz funktioniert, setzt Esther Keller auf einen regelmässigen Austausch mit ihren Mitarbeitenden. «Ich fordere stets ein, dass sie ganz ehrliche Rückmeldungen geben. Als Chefin oder Chef ist es das grösste Risiko, wenn die Leute irgendwann nicht mehr ehrlich sind», sagt Keller.
Dieser Führungsstil wird geschätzt. Auch dann, wenn es einmal nicht so läuft wie gewünscht, wie Claudia Burckhardt verrät. Burckhardt arbeitet schon seit über 20 Jahren beim BVD und hat schon manchen Regierungsrat kommen und gehen sehen.
Noch 2 Wochen: Die Sorgen des Volkes
Zwei Wochen vor dem ersten Stichtag verläuft der Wahlkampf in Basel ungewöhnlich ruhig. Was aber nicht heisst, dass sich Esther Keller zurücklehnen kann. Als kleinere Partei sei die GLP nämlich darauf angewiesen, dass möglichst viele Leute an die Urne gehen. «Wir müssen bis zum letzten Tag kämpfen. Deshalb sind wir so viel auf den Strassen unterwegs und setzen uns für die hinterste und letzte Stimme ein», sagt Keller, während sie auf dem Tellplatz die Werbetrommel für sich und ihre Partei rührt.
Zwischen dem Verteilen von Wahlflyern und «GLP-Goodies» darf sich die amtierende Regierungsrätin noch mit den Sorgen des Volkes auseinandersetzen. Zum Beispiel stört sich eine Anwohnerin über eine zu laute Altglas-Entsorgungsstelle im Gundeldinger-Quartier:
Noch fünf Tage: Teamplayer statt Einzelkämpferin
Bei aller Hektik schadet auch einer Regierungsrätin etwas Ablenkung nicht. Esther Keller findet diese beim Volleyball. «Wenn ich joggen gehe, denke ich noch viel zu fest über alles nach, was an diesem Tag los war. Wenn ich in der Halle bin und einen Ball in den Fingern habe, ist für zwei Stunden alles vergessen», sagt sie.
Angefangen Volleyball zu spielen hat Keller als 10-jähriges Mädchen. Dem Sport ist sie seither treu geblieben. Bis zur Wahl in den Regierungsrat amtete Keller gar als Co-Präsidentin des NLA-Klubs Sm’Aesch Pfeffingen. Seit zwei Jahren trägt Keller nun das Trikot von City Volley Basel. Mit ihrem aktuellen Team stieg die Mitteblockerin letzte Saison in die erste Liga auf. In der Gruppe fühle sie sich schlicht am wohlsten. «Das Regierungskollegium ist ja auch ein Team. Mir ist es sehr wichtig, dass wir nicht sieben Einzelkämpferinnen und Einzelkämpfer sind, sondern auch zusammen gut funktionieren. Ich glaube, das spürt man auch gegen aussen», sagt Keller.
Ihre Mitspielerinnen schätzen es, dass ihre prominente Teamkameradin authentisch geblieben ist. Auf dem Feld könne Keller aber bisweilen verbissen sein, wie die Teamverantwortliche Eleonora Fresa erzählt:
Noch vier Tage: Gute Noten im Grossen Rat
Hartnäckig sein und doch locker bleiben: Dieser Spagat scheint Esther Keller auf dem politischen Parkett einfacher zu gelingen. Die Mitglieder der wichtigen Umwelt-, Verkehr- und Energiekommission des Grossen Rates stellen ihrer Vorsteherin nach vier Jahren mehrheitlich ein gutes Zeugnis aus:
Erster Wahltag: Von Enttäuschung keine Spur
Nach knapp zwei Monaten Wahlkampf ist der Tag der Abrechnung endlich da. Schon am Mittag bei der Verkündung der Zwischenresultate ist allerdings klar, dass es Esther Keller im ersten Anlauf nicht zur Wiederwahl reicht. Am Ende fehlen ihr etwas mehr als 1’300 Stimmen zum Absoluten Mehr.

Trotz des vorerst verpassten Ziels zeigt sich Esther Keller nicht enttäuscht. «Ich kann sehr zufrieden sein, weil ich sehr nahe am Absoluten Mehr bin. So bin ich in einer guten Ausgangslage für den zweiten Wahlgang», bilanziert Keller und gesteht, fest mit einer Zusatzrunde gerechnet zu haben: «Ohne Bündnis macht es die ganze Sache einfach schwieriger.»
2 Wochen bis zur Entscheidung: Durchhaltewille ist gefragt
Der Rückschlag ist schnell verdaut. Denn die gute Nachricht kommt wenige Tage nach dem ersten Wahlgang: Die Mitte-Partei empfiehlt Esther Keller zur Wiederwahl. Auch bürgerliche Organisationen wie der Gewerbeverband oder die Handelskammer beider Basel stehen hinter ihr. Und mit Barbara Schneider und Hans-Peter Wessels weibeln jetzt sogar zwei frühere SP-Regierungsräte für Stimmen für die GLP-Politikerin.
«Die Themen haben sich noch mehr auf das Bau- und Verkehrsdepartement fokussiert. Das finde ich gut, weil ich da auch sattelfest bin», sagt Keller. Ausserdem habe sich die Frage akzentuiert, ob es jetzt eine einseitige Mehrheit in der Regierung gibt oder ob diese ausbalanciert bleibe. «Diesbezüglich habe ich schon sehr viel Herzblut, weil ich finde, dass eine austarierte Regierung für Lösungen sorgt», sagt Keller. «Da muss man wirklich darum kämpfen. Es ist nicht schon im Voraus klar, welche Seite gewinnt.»
So kann Esther Keller entspannter mit ihrer letzten verbliebenen Konkurrentin, der Grüne-Grossrätin Anina Ineichen, in den Ring steigen. Das direkte Duell der beiden Kandidatinnen im Telebasel-Studio findest du in voller Länge hier.

Im Anschluss an das Streitgespräch blickt Esther Keller zuversichtlich auf den zweiten Wahlgang am 24. November: «Ich kann nicht mehr als das Maximum reingeben, und dann passiert, was passiert. Ich würde mich nur ärgern, wenn ich das Gefühl hätte, ich hätte nicht noch einmal alles investiert.»
Trotzdem bleibt der Wahlkampf für Esther Keller eine schwierige Zeit. Noch vor dem ersten Wahlgang erkrankt ein enges Familienmitglied schwer. Ein paar Stunden vor dem Streitgespräch bei Telebasel wird es erfolgreich operiert. «Weil ich viel an Zuhause denke, relativiert das wieder alles. Es gibt auch Wichtigeres im Leben als der Beruf», gesteht Keller. „Gleichzeitig ist jetzt der Moment, wo man sich konzentrieren und vorbereiten sollte. Und sich in Stimmung bringen und nochmals Vollgas geben sollte. Aber das kostet schon Energie.» Aus diesem Grund sei von ihr in den letzten zwei Wochen bis zum zweiten Wahlgang viel Durchhaltewille gefragt.
Tag der Entscheidung: Die pure Erleichterung
Die alles entscheidende Frage, ob es im zweiten Anlauf reicht, beschäftigt Esther Keller dann doch mehr, als ihr lieb ist. Das wirkt sich auch auf ihren Schlaf aus, wie sie am Wahlsonntag gesteht: «Heute Nacht gings – wahrscheinlich, weil ich so müde war. Die Nächte vorher habe ich die Anspannung schon gespürt.» Die Ausgangslage sei anders als beim ersten Wahlgang. «Damals wusste ich: Wenn es nicht klappt, habe ich eine zweite Chance. Heute weiss ich: Dieser Tag zählt», so Keller weiter.
Sie macht kein Geheimnis daraus, dass sie eine Abwahl hart treffen würde. «Das wäre schon ein sehr schwieriger Moment. Weil ich die Arbeit gerne und mit Überzeugung gemacht habe. Man taucht ein und gibt alles. Da bräuchte es dann schon Verdauungszeit», sagt sie. Darüber, wie ihr Weg im schlimmsten Fall weitergehen soll, habe sie sich noch keine Gedanken gemacht. «Es gäbe aber einen. Ich lande immer auf den Füssen.»
Eine gute Stunde später gilt es im Basler Kongresszentrum ernst. Noch ein kurzer Austausch mit der Konkurrentin, etwas Taktik-Besprechung mit den eigenen Partei-Freunden und dann ein letztes Mal tief durchatmen, ehe die Karten endgültig auf den Tisch gelegt werden.
Mit rund 11’000 Stimmen Vorsprung auf Anina Ineichen schafft Esther Keller die Wiederwahl in den Basler Regierungsrat im zweiten Anlauf doch noch souverän. Entsprechend gross ist der Stein, der ihr vom Herzen fällt. «Man wusste bis zum Schluss nicht, wie es ausgeht. Deshalb war es schon sehr anstrengend, wenn man da steht, auf das Resultat wartet und 20 Kameras auf einen gerichtet sind – und man irgendwie stehen bleiben muss. Egal, was kommt», sagt Keller.

Sie sei sich nicht immer sicher gewesen, dass auf ihren Solo-Lauf durch den Wahlkampf ein Happy-End folgt. «Es gibt immer Momente, in denen man zweifelt. Auch, weil man nicht weiss, wie die Abstimmungen wie zum Beispiel zum Rheintunnel das Resultat beeinflussen. Ich habe aber schon gehofft und gedacht, dass es klappt», sagt Keller.
Zusammen mit ihren Parteikolleginnen und -kollegen stosst Esther Keller dann auf den Erfolg an. Mit der Wiederwahl schliesst sich für sie ihre bisher grösste Baustelle. Die nächste kommt aber bestimmt.
Wer wüsste das nicht besser als Esther Keller?
Willst du mehr? Den gesamten TV-Beitrag über Esther Kellers Wahlkampf findest du hier.